
Disclaimer: Was ich hier beschreibe ist meine persönliche Perspektive auf die Situation in meinem Projekt. Ich bin mir meiner Position als Außenstehende in einem fremden Land bewusst. Trotzdem bestehe ich auf einen respektvollen Umgang unter Mitmenschen.
Mein Projekt
Das Projekt, bei dem ich die letzten sechs Monate „gearbeitet“ habe, befindet sich auf der Nicoya-Halbinsel, in Costa Rica. Die Organisation auf deren Finca wir, mein Mitfreiwilliger Frederik und ich, beschäftigt sein sollten, heißt Fedeagua.
Meine Arbeit
Leider hat sich meine Arbeitssituation deutlich verschlechtert. Die einzigen Aufgaben, denen ich im Moment nachgehe, sind:
• Unkraut zupfen
• Mangos wegräumen
• Küche, Ranch, Herberge fegen und putzen
Dafür, dass ich mit meiner aktuellen Situation nicht glücklich bin, gibt es mehrere Gründe:
- Die Person: Unser Verantwortlicher hat starke Stimmungsschwankungen, verbreitet hinter unserem Rücken Lügen über uns und redet alles, was wir machen, schlecht. Egal, wie wir eine Aufgabe ausführen, es gibt immer etwas daran auszusetzen, auch wenn es genau auf die Art und Weise erledigt wurde, wie er es uns beschrieben hat.
Beispiel: Wir graben die Erde um und “füttern” sie mit zerkleinerten Blättern -> die Erde ist nicht tief genug umgegraben und die Blätter nicht klein genug. - Keine Veranstaltungen: Bereits zuvor haben wenige / keine Veranstaltungen stattgefunden, aber damals gab es noch andere Dinge zu tun und alles war neu, sodass es nicht so aufgefallen ist. Mittlerweile ist aber klar geworden, dass es ein Dauerzustand ist, dass nichts passiert bzw. Treffen angekündigt werden, die dann aber nicht auf dem Gelände stattfinden.
- Keine Arbeit: Was ich tue, habe ich ja bereits oben aufgelistet. Das sagt alles.
- Keine Arbeitsmaterialien: Im ersten Bericht habe ich noch davon erzählt, dass wir Dinge gebaut haben. Tja, die Werkzeuge dürfen wir nicht mehr benutzen. Wir würden sie nicht richtig verwenden und kaputt machen. Auch andere Hilfsmittel, die für die Gartenarbeit wichtig wären, zum Beispiel eine ganze Schaufel oder ein Rechen, verschwinden auf mysteriöse Art und Weise. Dafür werden wir natürlich verantwortlich gemacht und zusätzlich haben wir sie dann ja auch nicht mehr.
- Fehlende Kommunikation: Probleme werden nur angesprochen, wenn wir diejenigen sind, die es machen. Das heißt zum Beispiel, es wird uns vorgeworfen, nicht all das Geld für die Miete an die Organisation zu geben, sondern davon einen Mixer für unser Privatvergnügen zu kaufen. Da kriegen wir natürlich nur mit, weil die Koordinatorin am Telefon uns darauf anspricht, dass das nicht in Ordnung ist. Natürlich haben wir keinen Mixer gekauft und alles Geld wie vereinbart übergeben (wir haben das sogar schriftlich bestätigt bekommen). Daher sprechen wir den Verantwortlichen für dieses Gerücht an und er behauptet nie etwas gesagt zu haben. Glaubt ihr, wir sind auf den Kopf gefallen?! Aber nicht nur diese direkten Lügen sind anstrengend, auch dass immer wieder Versprechungen gemacht werden (über Veränderungen oder Aktivitäten, die dann nicht stattfinden) oder nicht kommuniziert wird, wenn sich Pläne kurzfristig ändern, raubt Energie.
Beispiel: Es heißt am Morgen um 8h00 wir müssen jetzt schnell alles putzen, aufräumen und aufbauen, um 9h00 kämen Gäste. Auf unsere Nachfrage um 10h30 (1 Stunde Verspätung ist normal), ob denn noch jemand käme, heißt es, die Veranstaltung würde zwar gerade stattfinden, aber doch nicht bei Fedeagua. Danke für‘s Bescheid geben! Das fühlt sich nach absichtlicher Schikane an. - Fehlende Privatsphäre: Unser Verantwortlicher denkt, er habe das Recht, über alles in unserem Leben Bescheid wissen und kontrollieren zu müssen. Sind wir krank, besteht er darauf, dass wir ins Krankenhaus gehen – ja, auch bei Regelschmerzen. Verlassen wir nach der Arbeitszeit das Gelände, will er wissen, wohin wir für wie lange gehen. Wir sind volljährig und zu keiner Auskunft verpflichtet.
- Keine Gegenseitigkeit: Alles, was von uns verlangt wird, wir auf der anderen Seite nicht erfüllt. Wir wissen nicht, wann was wo stattfindet und wenn wir dann nicht zur Stelle sind, werden wir wieder angemotzt.
All das übt enormen Druck auf mich als Person aus, die freiwillig und aus gutem Willen dort arbeitet. Ich bin schon lange an dem Punkt angekommen, dass ich die bedrückende Situation nur noch dann aushalte, wenn ich wirklich muss. Da von meiner deutschen Organisation, trotz vielfacher Bitte, keine Hilfe mehr zu erwarten ist, habe ich die Dinge selbst in die Hand genommen und bin zu einer Freundin nach Nicoya gezogen. Nach Fedeagua, auf das Gelände, fahre ich momentan immer noch morgens mit dem Bus und sobald meine offizielle Arbeitszeit fertig ist, wieder zurück. Ich verbinde mit diesem Ort nur Schlechtes und vermeide ihn daher, wenn nur möglich.
Meine Wohnsituation
Wie gerade angesprochen, bin ich vor kurzem zu einer Freundin nach Nicoya gezogen. Ich habe in ihrem Haus ein eigenes Zimmer mit Ventilator, einem Bett, einem Kopfkissen und einer Decke. Sogar einen Schrank und einen Schreibtisch gibt es dort. Ja, alles Dinge die in Fedeagua keine Selbstverständlichkeit waren und bis heute z.T. nicht vorhanden sind.
Abgesehen von ihr und mir wohnen noch ihr Vater und ihre Mutter dort. Ich koche oft für die Familie. Manchmal etwas Einfaches wie Pfannkuchen mit Käse, ein anderes Mal Chili sin Carne, Curry oder Eintopf. Bisher hat es ihnen immer ganz gut geschmeckt.
Ich bin sehr glücklich, umgezogen zu sein, weil ich durch die Familie und die Wohnlage in der Stadt Nicoya sehr viel mehr in Veranstaltungen und ein Sozialleben eingebunden bin.
Mein Sozialleben
Mein Freundschaftskreis hilft mir sehr, durch die schwierige Zeit, die ich durch die Bedingungen in meinem Projekt habe, zu kommen. Mit ihnen verbringe ich möglichst viel Zeit, ob in Sámara, Nicoya oder anderswo. Dadurch, dass ich jetzt in der Stadt wohne, ist es einfacher, sie mal für einen Nachmittag zu besuchen und Essen zu gehen oder nur einen Film zu schauen. Wir können bis spät in die Nacht zusammensitzen und quatschten, ohne dass ich mir Gedanken darüber machen muss, wie ich danach noch nach Hause komme oder was mir wieder vorgeworfen wird. Auch ist es möglich, spontan zu Veranstaltungen, die es im Nicoya Zentrum oder auf dem Festival-Platz gibt, zu gehen und ein bisschen zu tanzen. Ich kriege einfach viel mehr von der Kultur mit und kann immer nachfragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Ähnliches gilt für mein Spanisch. Ich rede mehr und mit verschiedenen Personen. Auch sind die Gespräche intensiver und inhaltlich anspruchsvoller. Ich verbessere mich wieder!
Meine Freizeit
Da wir endlich geregelte Arbeitszeiten haben, ist es leichter, etwas mit der freien Zeit zu machen. Ob das nun Strand oder Recherche ist, spielt dabei keine Rolle. Ich kann die Zeit nutzen, um mich von der unangenehmen Situation in meinem Projekt abzulenken und zu entspannen. Manchmal bei einem Spaziergang durch die Stadt, wo es plötzlich zu regnen beginnt und man lachend und platsch nass, aber glücklich zurück nach Hause rennt. Ein anderes Mal beim Karottenkuchen backen oder zusammen Pizza essen und reden. Ich konnte den Geburtstag meines Jetzt-Gastbruders miterleben: Singen, Lachen und Essen.
Kulturelle Unterschiede
Natürlich stelle ich immer wieder Unterschiede fest, aber die größten Unterschiede habe ich schon in meinem ersten Bericht geschildert. Was mir nochmal so richtig klar geworden ist und woran ich mich trotzdem immer wieder erinnern muss ist, dass die Menschen mit denen ich bei Fedeagua zu tun habe nicht alle Menschen in Costa Rica widerspiegeln. Die meisten Leute, denen ich begegne sind zuvorkommend, hilfsbereit, freundlich, offen und vor allem nicht manipulativ. Ich bin dankbar, dass ich das durch meine Freundschaften und Bekanntschaften auf Reisen durch das Land lernen durfte.
Die Herausforderungen
Ich denke es ist klar geworden, dass meine größte Herausforderung momentan ist, mit meinem Projekt klar zu kommen. Nein, eigentlich ist es mehr herauszufinden, wie ich die Zeit die mir in Costa Rica bleibt, sinnvoll nutzen kann. Für mich ist klar, warum ich hierhergekommen bin: Ich möchte etwas verändern und etwas Sinnvolles tun. Das werde ich in der Umgebung von Fedeagua nicht tun können. Ich habe genug Ideen und Möglichkeiten, meinem ursprünglichen Wunsch nachzugehen und werde diese auch nutzen. Sollte ich zu dem Entschluss kommen, dass das im Rahmen der Möglichkeiten, die Fedeagua oder ProREGENWALD mir bieten, nicht möglich sein wird, werde ich darauf reagieren.
Denn was ich bisher kaum erwähnt habe ist, dass mich meine deutsche Organisation, die mich eigentlich bei der Lösung von Problemen und Schwierigkeiten unterstützen sollte, genau das nicht tut. Ich fühle mich allein gelassen, mir wird die Schuld für die aktuelle Situation gegeben, meine Lösungsvorschläge werden abgelehnt, aber keine eigenen vorgebracht. Ich fühle mich nicht nur nicht unterstützt, sondern eher noch mehr unter Druck gesetzt. Ich kann mir nicht sicher sein, dass angesprochene Themen nicht falsch aufgefasst und gegen mich verwendet werden und dann ohne Rücksprache mit mir weitergegeben werden. Dadurch bin ich schon mehrfach in sehr unangenehme Situationen gekommen, Ausraster von unserem Verantwortlichen zum Beispiel (der sowieso schon unberechenbar ist und mir dadurch teilweise auch Angst einjagt).
Meine Highlights
Ich hatte die tolle Möglichkeit, zusammen mit meiner Familie zwei Wochen Costa Rica zu bereisen. Wir sind von San José aus über den Nationalpark Manuel Antonio auf die Osa Halbinsel gefahren. Dort waren wir in einem Hostel im Regenwald, haben Aras und Pfeilgiftfrösche gesehen und sind in einem Fluss gewandert. In Monteverde bin ich über den Nebelwald geflogen und habe den Quetzal gesehen. Ich habe meiner Familie mein Projekt gezeigt und wir sind in Montezuma unter dem Wasserfall geschwommen. La Fortuna und der Vulkan waren einfach nur beeindruckend und Tortugero wie ein kleines Paradies. Die südliche Karibik hat krasse Nationalparks und in Cahuita zu schnorcheln war wunderschön.
Ich habe Costa Rica von einer ganz anderen Seite kennen lernen können. Die Natur und die Tiere sind atemberaubend und das mit meiner Familie erleben zu dürfen, war toll. Nicht zu vergessen: die guten und tiefgründigen Gespräche, die ich hier oft vermisse.
Meine Zukunftspläne
- Arbeit: Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde etwas an meiner Situation ändern. In den nächsten zwei Wochen werde ich erstmal nach Las Vegas, eine Indigenengemeinschaft an der Grenze zu Panama, gehen und dort auf einer Finca aushelfen. Ich bin mir noch nicht sicher, was die genaue Arbeit sein wird, aber ich werde es herausfinden. 2 Wochen Arbeit machen 6 Monate Leerlauf nicht wett, aber ich will jede Chance ergreifen, die sich mir bietet.
- Sozialleben: Ich möchte mehr Zeit mit meinen Freund:innen verbringen und von ihnen lernen. Auch will ich meine gute Lage in Nicoya besser nutzen, um mich einer Tanzgruppe oder ähnlichem anzuschließen.
- Spanisch: Jetzt geht es vor allem um die Grammatik und die Zeiten. Da heißt es, weiter Zeit zu investieren.
Mein Fazit
Meine Einstellung bezüglich der Arbeit, die ich hier verrichte, hat sich stark gewandelt. Ich bin nicht den langen Weg nach Costa Rica gekommen, um dann hier Unkraut zu zupfen, Klos zu putzen und mich anmeckern zu lassen. Es kann so nicht weiter gehen, einen solchen Umgang mit mir und Freiwilligen im Allgemeinen lasse ich mir nicht gefallen. Das gilt für Fedeagua, aber auch für ProREGENWALD. Ich bin keine Person, die es hinnimmt, nichts zu tun und versucht, darin ihre Bestimmung zu finden. Ich bin hoch motiviert und mit viel Idealismus hierhergekommen, um etwas Sinnvolles zu tun und meinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten. Ich finde es traurig und sogar skandalös, was hier passiert. Nicht nur, dass meine Erwartungen sich leider nicht erfüllen, sondern dass im Gegenteil, ich manipuliert, demotiviert und sogar beschuldigt werde. Ich weiß, dass es anderen Freiwilligen ähnlich geht, aber sie arrangieren sich zur Zeit mit der Situation, um ein ruhiges Leben zu haben.
Es hat mich sehr viel Mut und Überwindung gekostet in diesem Bericht offen und ehrlich alle Probleme zu schildern, aber es ist mir wichtig, dass ich endlich gehört werde. Mein Ziel ist es, eine Änderung für uns alle zu erreichen, auch für zukünftige Freiwillige.
Trotz meiner Situation im Projekt, konnte ich tolle Momente erleben und bin dankbar für diejenigen, die diese Zeit positiv geprägt haben. Es ist toll zu wissen, dass man Menschen an seiner Seite hat, die einen unterstützen, aufmuntern oder auch nur ablenken.



Hola Greta, ich finde dich unglaublich mutig, bin sehr stolz auf dich! Toll, dass du dich wehrst! Es wird manchen nicht passen, dass du so offen schreibst, aber vielleicht wachen sie dann mal auf! Es ist leichter, ja und amen zu sagen und viel schwieriger, unbequem zu sein, aber sei bitte weiterhin unbequem! Die Tatsache, dass du einen unberechenbaren, psychisch labilen Costa Ricanischen Vorgesetzten hast, der dir auch Angst einjagt, macht mich soooo wütend! Wie kann er es wagen, dich derart zu verunsichern und auch noch zu beschuldigen? Wieso bekommst du keine Rückendeckung, warum wird an dieser gefährlichen Situation nichts geändert? Was hat putzen mit einem (ökologischen) Freiwilligendienst zu tun? Ich bin fassungslos!