Morpho, Mais und Meer

Mein FÖJ in Costa Rica

Mein Projekt

Das Projekt, welches mir ProREGENWALD für mein zehnmonatiges Freiwilliges Ökologisches Jahr zugeordnet hat, befindet sich auf der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica. Genauer gesagt wohne ich zusammen mit einem anderen Freiwilligen namens Frederik auf dem Gelände der Organisation Fedeagua. Zusammen nehmen wir an Veranstaltungen teil oder entwickeln eigene Projekte.

Die Organisation

Fedeagua ist eine gemeinnützige Organisation, deren Arbeit hilft, soziale und landwirtschaftliche Probleme zu lösen. Eines der Kernprojekte sind die Mujeres del Maíz, übersetzt Maisfrauen. Das ist eine (hauptsächlich) Frauengruppe, welche unterschiedliche Produkte aus verschiedenen Maissorten herstellt. Diese Lebensmittel werden daraufhin verkauft und der Gewinn unter den Mitarbeitenden aufgeteilt. Es gibt fünf Gruppen an verschiedenen Standorten in Costa Rica, die abwechselnd die Möglichkeit bekommen, ihre Produkte an das Rathaus in Nicoya und andere Institutionen zu liefern. Fedeagua hat die Kontakte, organisiert das Miteinander der Mujeres del Maíz und hat die Gruppen aufgebaut. Sie sind eine ständige Begleitung, die stabilisiert und für Arbeit sorgt.

Das Prinzip: Gemeinschaftsprojekte stärken und dadurch Einzelpersonen unterstützen.

Meine Arbeit

Das Gelände, auf dem ich wohne, ist gleichzeitig meine Einsatzstelle. Die Finca befindet sich sieben Kilometer außerhalb der Stadt Nicoya und ist nur durch Busse an der Hauptstraße zu erreichen. Die nächsten Leute wohnen weit entfernt, wodurch ich keinen Kontakt zu ihnen habe. Auf dem Gelände selbst stehen drei Gebäude. Es gibt eine Küche mit Büro, ein Versammlungszentrum und eine Herberge.

Die Arbeit unterteilt sich in drei Themenbereiche.

1. Aufbau und Instandhaltung der Finca: Es sind typische Haushaltsaufgaben, wie putzen, Wäsche waschen, einkaufen und kochen, die hier ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Gibt es eine Veranstaltung, bereiten Frederik und ich alles dafür vor. Das heißt: Wir waschen Bettwäsche, wischen die Zimmer, stabilisieren die Betten, putzen die Bäder und Toiletten und die Küche. Beispielsweise hatten wir vor einer Woche Besuch von einer Gruppe aus El Salvador, die mehr über die Organisation Fedeagua und ihre Arbeit erfahren wollte. Daher haben wir die Woche vorher damit zugebracht, Tische zu bauen und Elektrizität zu verlegen, damit alle Zimmer Licht haben. Die Feuerstelle, über der gekocht werden sollte, musste neu aufgebaut werden und das Gelände, auf dem allerlei Müll herum lag, haben wir gesäubert. Da die Toiletten in der Herberge nicht funktioniert haben, waren wir lange mit der Reparatur beschäftigt. Auch haben wir Türen und Wände gebaut, um Privatsphäre in unseren Zimmern, die auch in dem Gebäude sind, zu schaffen. In der Zeit in der die Gruppe dann hier war, haben wir am Programm teilgenommen.

2. Gemeinschafts- und Projektarbeit: Bereits mehrmals konnten wir an von Fedeagua initiierten Projekten teilnehmen. Ein Beispiel hierfür ist eine Veranstaltung, die im Nationalpark Palo Verde stattgefunden hat. Die Mujeres del Maíz haben dafür im Vorhinein Essen vorbereitet, welches am Tag selbst an Gruppen im Park ausgeteilt wurde. Gleichzeitig haben die Frauen die Möglichkeit bekommen, bei einem Vortrag über Wasservögel mehr über ihre Umgebung zu lernen und sie hautnah zu erleben. Ein anderes, längeres Projekt war die Veranstaltung mit der Reisegruppe aus El Salvador, die durch die Caritas gefördert wurde. Über vier ganze Tage haben wir an Besprechungen und Ausflügen teilgenommen. Es wurde über die Herangehensweisen der zwei Organisationen Fedeagua und Caritas informiert und diskutiert. Beide Seiten lernten bei den Gesprächen etwas dazu und konnten Fragen stellen: Wie kann die Arbeit effektiver gestaltet werden? Kann es helfen politisch, aktiv zu werden? Wo kann man Dinge verbessern? Bei dem Ausflug zu Roger, einem Bauern aus der Region Nicoya, lernten alle mehr über die Nutzung von Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Auch weiß der alte Mann viel über Anbautechniken und mit Hilfe seiner Erklärungen lernten auch wir Deutschen mehr darüber, welche Pflanzen man am besten zusammen anbaut.

3. Eigene Projekte: Natürlich gibt es auch immer mal wieder Leerlauf. Diesen füllen wir mit eigenen Projekten. Um unsere Zeit sinnvoll zu nutzen, haben wir beispielsweise das Projekt gestartet, einen Kurzfilm über die Mujeres del Maíz zu drehen. Dafür sind wir nach Corralillo, ein kleines Dorf in unserer Nähe, gefahren und haben die Maisfrauen bei der Vorbereitung und dem Verkauf ihrer Produkte begleitet. Dafür sind wir um 4 Uhr morgens aufgestanden, haben Gemüse geschnippelt, gekocht, mit den Frauen geredet und natürlich alles fotografiert und gefilmt. Der Film soll den Frauen helfen, sich besser zu präsentieren, zum Beispiel auf Facebook. Auch denke ich, dass es ihnen hilft, stolz auf ihre Tätigkeit zu sein, wenn sie ihre Arbeit vor Augen geführt bekommen.

Dazu kommt die Berichterstattung nach Deutschland in Form von Blogbeiträgen auf meinem eigenen Blog (mai-live.de), Bildern auf Instagram (mai.live.global) und Videos auf YouTube (Mai Live).

Mein Sozialleben

Dadurch, dass wir auf der Finca abgeschieden von allem Leben wohnen, war es zu Beginn schwer, lokale Freundschaften zu finden. Mit den anderen Freiwilligen verstehe ich mich sehr gut und die ersten Wochen, die ich mit ihnen verbracht habe, waren echt toll. Wir versuchen uns ab und zu zu sehen, aber das Ziel ist es, lokale Bekanntschaften zu machen. Frederik und ich hatten das Glück an einem Sonntagabend, an dem wir gerade vom Strand zurück kamen, von Melissa angesprochen zu werden. Sie ist zu meiner besten Freundin hier in Costa Rica geworden und nimmt uns immer gerne mit, wenn sie etwas unternimmt. Durch sie haben wir auch die meisten unserer anderen Freundschaften geschlossen. Zusammen fahren wir an den Strand, gehen essen oder sitzen einfach nur im Park und reden. Es tut richtig gut Kontakt zu jungen Leuten zu haben, da wir sonst nur mit älteren Menschen zusammenarbeiten.

Meine Freizeit

Durch unsere Arbeit haben wir nur wenig freie Zeit zur Verfügung. Wir arbeiten Montag bis Samstag von morgens bis nachmittags und sind danach sehr erschöpft. Trotzdem nutzen wir jede freie Minute, um Zeit mit unserer Freundesgruppe zu verbringen oder das Land zu erkunden. Wir fahren zum Beispiel sonntags meistens zum Strand, lesen, baden, surfen oder quatschen mit Melissa. An anderen Tagen stehen wir früh, also um 4 Uhr morgens, auf und nehmen den Bus nach Nosara, um dort surfen zu gehen. Unsere Urlaubstage nutzen wir, um das Land zu erkunden. Anfang Januar sind wir beispielsweise mit einigen anderen Freiwilligen nach Tamarindo gefahren und haben dort meinen Geburtstag nachgefeiert. Letztes Wochenende waren Frederik und ich im Nationalpark Manuel Antonio, sind dort gewandert, haben die Strände besucht und viele verschiedene Tiere gesehen. Costa Rica hat so viel zu bieten und ich möchte möglichst viel mitnehmen.

Kulturelle Unterschiede

1. Lebenseinstellung: Alles wird hier gemächlich angegangen, Uhrzeiten sind nur als Richtwert zu sehen. Darunter leidet aber auch die Verlässlichkeit.

2. Essen: Die Menschen hier essen hauptsächlich Reis und Bohnen. Dazu gibt es Fleisch, Käse, Eier oder anderes Gemüse. Es gibt verschiedene Variationen, aber dies sind die Grundsätze. Die Region Nicoya ist eine BlueZone, das heißt, dass es hier viele alte Menschen gibt. Wie das möglich ist, ist mir ein Rätsel. Die Ernährung ist nicht sonderlich abwechslungsreich und die Leute bewegen sich auch nicht viel. Besonders der Zuckerkonsum in Form von sehr süßen, selbst gemachten Getränken schockiert mich jedes Mal aufs Neue.

3. Freundschaften: Sobald du mit einer Person schreibst, zählt ihr als befreundet. Das ist in unserer Situation natürlich gut, aber auch ungewohnt und oberflächlich. Trotzdem haben wir es geschafft, die Leute hier besser kennen zu lernen und würden sie nun auch nach „deutschen Standards“ zu meinem Freundeskreis zählen.

4. Lebensstandard: Die Leute haben nicht viel, finden das aber auch nicht schlimm. Nicht jede:r hat die Möglichkeit nach der Schule zur Uni zu gehen, da sie hier etwas kostet, aber die Leute finden trotzdem ihren Weg.

5. Umwelt & Natur und der Umgang damit: Costa Rica wird immer als eines der „grünsten“ Länder der Welt dargestellt. Natürlich wird hier die meiste Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen, aber das heißt noch lange nicht, dass die Gesamtbevölkerung sich der Umwelt und ihrem Einfluss darauf bewusst ist. Müllentsorgung und -trennung sowie Plastikvermeidung sind hier kein Thema. Die Leute verbrennen die Verpackungen einfach. Auf das Fahren mit dem Auto wird nicht bewusst verzichtet, es fehlt einfach das Geld dafür. Die meisten Costa Ricaner:innen haben selbst noch nicht viel von ihrem Land gesehen und wissen nichts von der wunderschönen Flora und Fauna, die sie umgibt. Ich wiederum genieße es, auf kleinem Raum verschiedenste Lebensräume, Klimabedingungen und damit Lebewesen erleben zu dürfen. In kurzer Zeit kann man vom Strand, durch die Trockenwälder und kahlen Landschaften in den nächsten Regenwald oder zu einem der vielen Vulkane fahren. Ein Traum!

Die Herausforderungen

1. Die Einfachheit: Alles auf dem Geländer ist rustikal. Es gibt nicht viel und das, was es gibt, hat keine gute Qualität. So ist es bei den meisten Dingen hier in Costa Rica. Ich gewöhne mich aber daran. Die eigenen Erwartungen und den Lebensstandard schraubt man runter und hält dadurch einiges aus, was in Deutschland für Entsetzen sorgen würde.

2. Die Hitze: Seit wir hier angekommen sind, wird es immer heißer. Selbst im Schatten ist es ohne Wind kaum auszuhalten. Die Aussichten für die nächsten Wochen sind nicht sonderlich gut, denn bis April wird es noch wärmer. Ich freue mich jedes Mal über die ausschließlich kalte Dusche nach der Arbeit.

3. Die Spontanität/ Unzuverlässigkeit: Immer wieder überrascht uns unser Chef kurzfristig mit neuen Aufgaben, wenn wir dachten, wir hätten alles erledigt und begonnen haben, eigene Pläne zu machen. Dadurch ist es schwer sich selber zu organisieren und längerfristig zu planen.

4. Die Sprache: Da ich bei der Abreise aus Deutschland nur die wichtigsten Sätze auf Spanisch konnte, waren die ersten paar Tage im Projekt hart. Hier spricht niemand Englisch, wodurch die Kommunikation schwergefallen ist. Trotzdem bin ich froh, dass es so ist, denn ich bin gezwungen, schnell die Sprache zu lernen. Das klappt ziemlich gut, ich habe schon große Fortschritte gemacht. Gerade hat sich die Entwicklung verlangsamt, was ein bisschen frustrierend ist. Aber ich bleibe optimistisch.

Meine Highlights

Es gibt viele kleine Erlebnisse, die ich als Highlights einstufen könnte. Ein wunderschöner Sonnenuntergang mit Freund:innen, Musik und Snacks am Strand. Eine abenteuerliche Wanderung mit krassen Ausblicken durch den Regenwald. Das Schlafen in einer Hängematte umgeben von Urwaldgeräuschen. Singend und tanzend mit einer Freundin durch San José laufen. Als Geburtstagsgeschenk einen Surfkurs in Tamarindo machen. Mit der Familie telefonieren oder einfach mal Karten spielen. Ich finde jeden Tag etwas, wofür ich dankbar bin und damit geht es mir gut.

Meine Zukunftspläne

1. Arbeitstechnisch: Der Plan ist, dass die Finca einen Modellcharakter bekommt. Die Leute, die für Veranstaltungen nach Fedeagua kommen, sollen das richtige Verhalten vorgelebt bekommen. Daher soll hier ein Gemüsegarten entstehen und gezeigt werden, wie Mülltrennung funktioniert. Das heißt für uns, Pflanzensetzlinge vorbereiten, die in der Regenzeit gepflanzt werden können. Auch Schilder mit Anleitungen zum besseren Umgang mit der Umwelt wollen wir erstellen. Natürlich ist es mir auch wichtig, mehr über die Arbeit von Fedeagua in den Gemeinden zu erfahren. Daher hoffe ich, dass wir auch weiterhin an Ausflügen in die verschiedenen Ortschaften teilnehmen können. Da William, ein Mitarbeiter von Fedeagua, ziemlich viel über Agrikultur und Landwirtschaft weiß, hoffe ich in Zukunft, mehr darüber zu erfahren und zu lernen. Dieses Wissen möchte ich mit nach Deutschland bringen, um dort eigene Gartenprojekte umzusetzen. Da auf dem Gelände von Fedeagua bereits viele verschiedene Pflanzenarten wachsen, würde ich sie gerne dokumentieren und kategorisieren, damit ich mehr Ahnung von der Fauna in Costa Rica bekomme.

2. Sozial: Ich wünsche mir, regelmäßig Zeit mit meinem Freundeskreis verbringen zu können und ihnen nicht ständig wegen einer spontan eingeschobenen Aufgabe absagen zu müssen.

3. Entdeckung: Ich möchte Costa Rica besser verstehen und mehr von Land und Leuten sehen, die Tiere und Natur erleben. Am liebsten wäre es mir, das Land von Costa Ricanern gezeigt zu bekommen.

4. Spanisch: Ich möchte mich intensiver mit der Sprache befassen und weiter Fortschritte machen.

Mein Fazit

Es gibt immer wieder Ups and Downs. Insgesamt genieße ich meine Zeit hier in Costa Rica sehr. Selbst wenn ich nicht immer das Gefühl habe, dass meine Arbeit von großem Nutzen ist, hilft sie doch der einen oder anderen Person, und allein das gibt mir ein gutes Gefühl. Das Projekt, was ich unterstütze, tut Gutes. Solange ich dabei mithelfen kann und selber etwas lerne, ist meine Zeit auf jeden Fall sinnvoll investiert. Die Kenntnisse, die ich beim Bauen von Türen und Tischen gewonnen habe, kann ich in Deutschland anwenden. Dazu kommt das Wissen über die Umsetzung von Gemeinschaftsprojekten, wie das der Mujeres del Maíz, und die Informationen über Landwirtschaft und Anbau. Ich kann mir vorstellen, dass ich damit auch in Deutschland einfacher und mit mehr Sicherheit eigene Projekte starten kann. Oft gehen die Leute hier anders mit Gästen um, als man es aus Deutschland gewohnt ist. Manchmal ist das etwas Gutes, da sich Personen in meinem Umfeld leicht begeistern lassen und daher spontan Aktionen zu Stande kommen. Andere Male finde ich, dass es an Kommunikation oder Respekt mangelt. Ob das an meinem Status als Freiwillige liegt oder am Alter, weiß ich nicht. In jedem Fall lehrt mich die Zeit hier, mit solchen Situationen besser umzugehen und Konflikten nicht auszuweichen. Mit der einfachen und bescheidenen Lebensweise im Projekt und vieler Menschen in Costa Rica komme ich klar. Der Vergleich mit Deutschland macht mich aber auch dankbar für das, was wir haben.

Ich tausche mich viel mit verschiedenen Personengruppen – ob mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen bei Veranstaltungen – über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Deutschland und Costa Rica aus. Dabei lernen beide Seiten dazu und ich denke, dass auch das ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit hier ist. Ich spreche Themen an, über die sich noch nie bewusst Gedanken gemacht wurden und habe dabei das Gefühl, Denkanstöße zu geben. Neulich, als wir mit der Gruppe aus El Salvador beim Abendessen saßen und alle mich wieder und wieder fragten, wieso ich denn gar kein Fleisch, nicht mal Hühnchen, esse, habe ich ihnen die Hauptgründe genannt: Dass es nicht nur ums Tierwohl, sondern auch um den Wasser- und Lebensmittelverbrauch und meine eigene Gesundheit geht, war ihnen neu und sie sind ganz leise geworden. Auch durch das Nachfragen über die Kandidierenden bei der Wahl haben wir unseren Freundeskreis dazu gebracht, sich mehr mit den Optionen auseinanderzusetzen. Es sind kleine Dinge, die etwas Größeres in Gang setzen können. Diese Vorstellung lässt mich meine Zeit hier als sinnvoll betrachten. Für die Menschen hier, aber auch für meine persönliche Entwicklung.

In jedem Fall bin ich gespannt, was ich in den nächsten Monaten noch lernen werde. Wie wird meine Zeit hier weiter gehen? Was werden meine Aufgaben bei Fedeagua sein? Wie wird mein Spanisch sich verbessern? Kann ich mehr Zeit mit meinen Freundinnen und Freunden verbringen und das Land erkunden?

Ich werde es bald erfahren…

Liebe Grüße, Greta

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