
Wie du vielleicht mitbekommen hast, war ich vor kurzem für zwei Wochen in Las Vegas, einem indigenen Dorf an der Grenze zu Panama. Einen Einblick, was ich dort erlebt habe, wie die Zustände dort sind, welche Arbeiten es gibt und was mir sonst noch aufgefallen ist, kriegst du in diesem Bericht. Viel Spaß beim Lesen! Für passende Momentaufnahmen empfehle ich danach auch noch mein YouTube-Video zu schauen und die Videobeschreibung zu lesen (Link ganz unten).
Vorbereitung
Bevor ich am Dienstag morgen in Nicoya losgefahren bin, habe ich mir einige Fragen gestellt. Die Wichtigste war aber: wie komme ich da überhaupt hin? Zum Glück konnte mir Josy, eine andere Freiwillige, da helfen. Sie war für kurze 3 Tage zu Besuch dort gewesen. Die Reise beginnt für mich mit der Anreise über San José bis nach Rey Curré, wo Josy wohnt und ich übernachten konnte. Am nächsten Morgen geht es nach Ciudad Neily, dann nach Laurel, bis nach Naranjo und von dort aus im Collectivo (Gemeinschaftstaxi) bis nach Las Vegas. Dieser letzte Reiseabschnitt war auf jeden Fall der spannendste, denn das hieß bei mir bei schüttendem Regen, auf der Ladefläche eines PickUps, zusammen mit 6 anderen Personen und deren Wocheneinkäufe, unter einer Plane, die Berge auf einer Schotterstraße hoch und runter fahren.
Dinge, die ich gerne gewusst hätte bevor ich losgefahren bin
1. Wie komme ich dort hin?
- Dazu hast du ja jetzt oben die Antwort
2. Wie sieht es bei medizinischen Notfällen aus?
- Es muss jemand gefunden werden, mit dessen Auto oder Motorrad die Person transportieren und ins nächste Krankenhaus nach Ciudad Neily gebracht werden kann.
- Ich habe mir besonders Sorgen wegen Schlangenbissen der Terciopelo gemacht. Die ist hochgiftig und aggressiv und dort weit verbreitet. Man überlebt eigentlich nur, wenn sie kurz vorher etwas anderes gebissen hat, eine Rate zum Beispiel, und deswegen nicht das gesamte Gift besitzt. Es habe Vorort auch schon mehrere Vorfälle gegeben, beispielsweise beim Fußballspielen auf dem Dorfplatz, was die Person zum Glück überlebt hat.
3. Wie lange bleibe ich dort?
- Mir wurde im Vorhinein gesagt, es seien zwei Wochen oder vielleicht auch länger angedacht.
- Gleichzeitig hat William mir total Stress gemacht, dass ich auf gar keinen Fall länger als 15 Tage dort bleiben darf.
4. Wie viel Geld nehme ich mit?
- Im Dorf gibt es natürlich keine Bank und nur Bargeld funktioniert. Aber wie viel ich dort ausgeben würde/ müsste/ könnte war überhaupt nicht klar. Ich musste ja zum einen Geld für die Anfahrt einplanen und außerdem doch für Unterkunft und Essen. Dann hieß es, dass vielleicht ein Markt stattfindet, wo ich Handarbeitsprodukte kaufen könnte. Auch habe ich mich darauf eingestellt, dass ich der Familie mal was kaufe.
- Ich würde für zwei Wochen ca. 100.000c empfehlen.
5. Wie und wo werde ich wohnen?
- Untergebracht wurde ich in der Jiménez-Sanchez-Familie. Sie sind die Kontaktstelle vom ProREGENWALD ins Dorf und habe auch schon frühe Freiwillige aufgenommen.
- Die Familie setzt sich aus den beiden Elternteilen und 8 Kindern, 5 Mädchen und 3 Jungs, zusammen. Auch die Großmutter wohnt die meiste Zeit bei ihnen im Haus. Zusätzlich dazu hat Mirelin, die 18 jährige Tochter, einen fast 2 jährigen Sohn.



Vivir en Vegas
1. Wer lebt in Las Vegas?
Las Vegas ist ein Indigenen Dorf der Ngäbe (ä wird etwas zwischen o und a ausgesprochen). Hier wohnen ca. ein Dutzend Familien, wobei doch auch irgendwie gefühlt alle Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins oder Cousinen sind. Gesprochen wird Spanisch, einige der älteren Generationen können teilweise noch die Sprache der Ngäbe. Sie wird auf jeden Fall in der Schule unterrichtet.
2. Wo ist Las Vegas?
Das Dorf ist in den Berg im Süden des Landes gelegen. Drum herum befindet sich der pure Regenwald. Der größte Teil ist Primärwald und deswegen voller großer und hoher Bäume. Es gibt die verschiedensten Pflanzenarten und die Hänge leuchten in unterschiedlichen grün Tönen. Das fällt natürlich nochmal mehr auf, weil man bei der Anreise stundenlang an Palmöl-Plantagen entlang fährt. Man sieht einen klaren Schnitt, wo die Plantagen aufhören und das Leben beginnt.
Wenn man dann doch die Grenze dieses Gebietes überschreitet und in das des Waldes eintaucht, ist es unmöglich die Artenvielfalt zu übersehen. Zwischen Bäumen schwingen sich Totenkopfäffchen hin und her, grün-schwarze Pfeilgiftfrösche springen herum, Kröten quarken laut und auch die roten Aras, die immer paarweise über unsere Kopfe fliegen sind kaum zu überhören. Auch Tukane gibt es und sie rufen nicht nur, sondern singen ab und zu auch mal. Was natürlich auch dazu gehört sind die Insekten wie Spinnen, Kakerlaken, Skorpione, Käfer, Raupen oder Tausendfüßler. An die ist man aber zum jetzigen Zeitpunkt mehr als gewöhnt. Auch nicht zu vergessen: hier unten ist Schlangengebiet und selbst wenn nicht alle für uns Menschen tödlich sind, will man ihnen dann doch lieber nicht begegnen. Neben der bunten Tierwelt, sind aber auch die Pflanzen sehr abwechslungsreich. Neben Fruchtbäume wie Sternfrucht, Nance, Wasserapfel, Cas, Guama (scheinbar super selten in Costa Rica) und natürlich Bananen, wachsen Heilpflanzen, Holzbäume und alles was die Natur sonst noch so zu bieten hat in- und außerhalb des Dorfes.



3. Wie lebt man in Las Vegas?
Wohnen
Die Menschen in dem kleinen Dorf wohnen ziemlich angeschnitten von der restlichen Bevölkerung. Es gibt keine Elektrizität, sondern nur Taschenlampen, Batterie und Laptops (!) von der Schule, womit dann die zwei Handys für die Familie geladen werden.
Fliesenden Wasser gibt es, manchmal fällt es aber aus und man muss warten, bis es dann hoffentlich bald wiederkommt.
Die Häuser sind eher aus Brettern zusammengenagelte Holzhütte mit Holzboden – super simpel. Das Dach besteht aus trockenen Palmen und oben auf der Spitze eine Plastikplane oder Wellblech. Geschlafen wird auf Holz mit einer Decke drüber. Mit etwas Glück hast du eine fingerdicke „Matratze“, durch die man trotzdem alles spürt. Die Küche ist ein separates Holzgestell mit Dach, an den Seiten offen. Es gibt eine Feuerstelle, ein Waschbecken, ein langes Brett als Tisch und das selbe als Bank. Ansonsten sieht es eher mau aus mit den Sitzmöbeln: zwei Hängematten, ein halber Stuhl, ein leerer Gaskanister und ein Hocker. Die Dusche ist eine kleine Kabine mit Wasser aus einem Hahn, was man sich mit einer Schale übergießt. Das Klo ist ein Loch im Boden.



Einkaufen
Meistens findet einmal die Woche ein Einkauf in der nächst größeren Stadt Naranjo statt. Das ist auch ziemlich die einzige Gelegenheit, bei der die Leute aus dem Dorf rauskommen. Es gibt für Notfälle aber auch einen kleinen Laden, hier auch Pulperia genannt.
Tiere
So gut wie alle Haushalte haben Tiere. Nicht, weil sie sich welche angeschafft haben, sondern weil die Hunde, Katzen, Hühner und Enten sobald sie geboren wurden nach der nächsten Möglichkeit nach Essen suchen. Deswegen folgen die Hunde den Leute auch überall hin – in der Hoffnung, dass sie irgendwo Essen bekommen. In Realität sind das aber meistens nur Schalen von Avocado und Banane, selten Reisreste oder Knochen von Hühnchen, weil die Menschen selber nicht viel haben.
Essen
Gekocht wird über dem Feuer, daher auch immer jede einzelne Sache nacheinander. Die Ernährung ist noch unabwechslungsreicher als im Rest von Costa Rica. Es gibt WIRKLICH zu jeder Mahlzeit Reis, meist mit Bohnen und frittierter Kochbanane, auf Spanisch Plátanos. Ab und zu werden auch unreife gekochte Bananen oder Cuadrado serviert. Also das, was von der Finca kommt. Yuka ist daher auch manchmal dabei. Ab und zu wird von der Nachbarin mal ein Hühnchen oder Eier gekauft und auf dem Weg Avocados geerntet. Einmal gab es Tütensuppe statt Bohnen als Soße und ein anderes Mal zusätzlich zum Reis ein bisschen Spaghetti. Es ist kein Problem damit auszukommen, aber ich war schon sehr froh, nach 2 Wochen endlich wieder Obst und Gemüse essen zu können. Noch eine Sache, über die ich froh war: kein Öl mehr. Es wird bei der Zubereitung des Essens so viel davon verwendet, dass sie alle 2 – 3 Tage eine neu 1,5l Flasche Öl kaufen mussten. Öl ins Reiswasser, Öl zu den Bohnen, Öl beim Frittieren…Nur beim Kaffee werden die Unmengen von Öl durch Unmengen von Zucker ersetzt. Das Fett ist aber auch das Einzige, was dem Essen neben Salz Geschmack gibt, vor allem wenn es mal wieder einfach nur Reis gibt. Ab und zu ernten die Kinder auf den Wiesen der Schule Koriander, der für die Bohnen verwendet wird, das war’s. An Obst gibt es regelmäßig nur die Nance Frucht, da die Sternfrüchte viel zu sauer für sie sind.
Es gab während ich dort war auch Tage, wo der Reis gerade leer ist und dann nur frittierte Plátanos gegessen wurde. Die Familie ist, auch weil sie so groß ist, also wirklich auf die Produkte der Finca angewiesen, um etwas zu essen zu haben. Teils kommen auch andere Leute aus dem Dorf zu Marcos (Vater), um bei ihm zwei Kochbananen zu kaufen, damit sie überhaupt irgendwas kochen können. Das ist schon krass zu sehen.



Kultur
So richtig fassen konnte ich die Kultur der Indigenen nicht. Klar, es gibt die offensichtlichen Aspekte: sie tragen die traditionelle Kleidung im Alltag, lernen und teilweise sprechen Ngäbe und stellen beispielsweise Krä (Ngäbe für Tasche) mit auf traditionelle Art und Weise gewonnenen Pflanzenfasern her. Auch wird viel mit handbetriebenen Nähmaschinen genäht, Taschen gehäkelt oder aus Jícara, einer nicht essbaren Frucht, Schalen hergestellt.
Andererseits steht das im Kontrast dazu, dass sie sich dann abends auf dem Schullaptop Disney-Zeichentrick-Filme und H2O – Plötzlich Meerjungfrau ansehen und dazu ein Becher der ausnahmsweise aus der Stadt mitgebrachten Fanta in neonorange trinken.
Zum Thema Religion gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die meisten Menschen sind, wie auch schon in Fiji, evangelisch. Es werden sich Gottesdienste im Radio angehört oder aufgenommene Videos von herumschreienden Fernsehpfarrern angesehen (meine persönlicher Meinung nach super anstrengend und absolut nicht lehrreich oder inspirierend). Es gibt zwar eine Kirche, aber hingehen tut scheinbar niemand.
Was allerdings viele machen ist Fußball spielen. In jeder Schulpause oder auch nachmittags wird gekickt und der zentrale Dorf- bzw. Fußballplatz ist the Place to be and hang out. Auch im Radio wird Fußball übertragen, die Frauenliga, und es gibt regelmäßige Turniere des Las Vegas – Frauenteams gegen die der anderen Dörfer „in der Nähe“. Eigentlich hätte während ich dort war auch ein Spiel in Progresso stattfinden sollen. Weil es dann aber den ganzen Tag geregnet hat, hatte niemand Bock 2 Stunden hin zu laufen, um dort zu spielen und dann wieder 2 Stunden zurück zu spazieren – sehr nachvollziehbar. Aber auch die Männerteams werden unterstützt. Besonders, wenn es sich dabei um die Nationalmannschaft handelt, die zur WM-Qualifikation gegen Neuseeland spielt. Daher treffen sich am Dienstagmittag einige Familien in einer der Hütten auf dem Schulgelände, wo bereits ein Fernseher mit dem Strom der Solarzellen läuft. Der Ton kommt aus einem Radio und alle fiebern mit. Gut, dass Costa Rica gewinnt und jetzt mit Deutschland, Spanien und Japan in einer Gruppe ist. Es glaubt zwar niemand, dass sie wirklich eine Chance haben, aber unterstützt werden sie natürlich trotzdem.



Waschen
Das Thema Wäsche waschen ist für die Leute hier ganz einfach. So gut wie jeden Tag macht das jede:r für sich selbst, ob es dann trocken wird oder nicht, hängt vom Wetter ab. Jetzt mit der Regenzeit ist die Luftfeuchtigkeit sowieso so hoch, dass es keinen Unterschied macht. Irgendwann, wenn du die feuchten Sachen trägst, werden sie dann auch trocken. Das Schimmeln wird durch die regelmäßige Wasche auf jeden Fall verhindert. Was mir positiv aufgefallen ist:
Mirelin, die junge Mutter von Eder, wäscht besonders häufig. Ihr Sohn trägt keine Windeln, sondern kriegt immer die Hose bzw. Unterhose gewechselt, sobald er Pipi macht. Danach wird er gewaschen und neu angezogen. Das ist ziemlich nachhaltig und logisch, wie ich finde. Andererseits ist es hier auch überhaupt nichts schlimm, wenn er auf den Boden, draußen Lehm oder Matsch und drinnen Holz, oder die Kleidung pinkelt.
Gewaschen wird übrigens entweder im Bach (klares Wasser) oder mit Frischwasser und zwar so:
- Kleidung nass machen
- Waschpulver mit der Hand einarbeiten
- Auf einen flachen Stein schlagen
- Auswaschen
- Wieder auf Stein schlagen
- Dann aufhängen (egal ob Sonne da ist oder nicht)
Schule und Bildung
Das Dorf hat eine Grundschule, die von Schüler:innen zwischen 6 und 12 Jahren besucht wird. Die nächste weiterführende Schule, das Colegio, befindet sich in Santa Rosa, so dass die Hälfte der Jiménez-Familie morgens 45 Minuten dort hin laufen muss. Die Grundschule ist nur einen kleine Hügel hinauf gelegen und in zwei Klassen unterteilt. Es gibt, wie mir erzählt wurde, zwei Lehrer und eine Lehrerin, die immer an unterschiedlichen Tagen für unterschiedliche Fächer kommen.
In der Schule wird Frühstück (8h00) und Mittagessen (11h00) gratis ausgegeben. Ich habe mich mit der Köchin der Grundschule unterhalten. Sie ist 22 Jahre alt, ist für den Job zu ihrem Freund nach Las Vegas gezogen, geht aber jedes Wochenende zum Haus ihrer Eltern in Santa Rosa, um dort online zu studieren. Zum Mittagessen kommen die Schüler:innen mit gewaschenen Händen in den Essensraum, stellen sich in einer Reihe auf und kriegen ihr Essen serviert. Dann setzen sich alle an einen Platz und warten bis jede:r einen Teller und ein Glas Saft vor sich stehen hat. Auch der Haupt-Lehrer setzt sich dazu. Es wird gemeinsam gebetet und dann gegessen.



Sobald die Familie nach Unterrichtsschluss aus der Schule bzw. dem Colegio nach Hause kommen, ist Schule kein Thema mehr. Als ich dort war, haben sie insgesamt fünf Examen geschrieben, aber nur am Samstag Vormittag wurden überhaupt Hausaufgaben gemacht. Das eigentlich auch nur, weil sie die Gelegenheit nutzen wollten, dass ich ihnen Mathe verständlich und praktisch (mit Taschenlampe und Farben) erklären kann. Auch sonst war das Engagement für die Schule nicht ganz so groß. Jeden Tag wurde spontan entschieden, ob sie zum Colegio gehen oder nicht. Ja klar, eine gewisse Anzahl an Tagen müssen sie schon hin gehen, um die Finanzierung zu bekommen (später mehr dazu), aber wenn es schüttet verstehe ich, dass der lange Weg über die Berge nicht so witzig ist. Besonders für die junge Mutter ist es schwer Betreuung für das Baby zu finden. Denn was ich total erstaunlich und beeindruckend finde ist, dass Cecilia (die Mutter) gerade wieder angefangen hat zum Colegio zu gehen, um ihren Abschluss nachzuholen. Sie hat damals aufgehört, als sie früh Kinder bekommen hat und ist deswegen jetzt in der 8. Klasse – zusammen mit ihre 13 jährigen Tochter. Sie braucht den Abschluss, um die Sprache Ngäbe unterrichten zu dürfen. Sie ist aber nicht die einzige Mutter die wieder zur Schule geht. Die gesamte Gruppe der Frauen, die für einen Workshop über Frauenrechte einmal die Woche nach Laurel fährt, gehen wieder zur Schule.
Eine Sache, die mir bei verschiedenen Personen im Dorf aufgefallen ist, hat mich besonders geschockt: das Fehlen von einfachen mathematischen Kenntnissen. Für die einfachste Rechnungen, wie 2+2 oder 3 x 1, wurde der Taschenrechner gebraucht und auch mir erst nach Überprüfung geglaubt. Sowas wie einen Taschenrechner freien Teil, gibt es natürlich nie.
Arbeit
Hat man einen Abschluss, gibt es für Indigene die Möglichkeit finanziert zur Uni zu gehen. Da die meisten Familien aber dringend Geld brauchen, wird das Angebot, wenn überhaupt, meist nicht direkt wahrgenommen. Die jungen Erwachsenen arbeiten eher in von der Regierung bezahlten 3 – Monatsprojekten und überbrücken die Zeit ohne Einkommen mit Arbeit auf der Finca. Gerade werden zum Beispiel Wege zu und um die Dörfer in der Nähe mit der Machete frei geschnitten. Diese harte körperliche Arbeit scheint relativ streng reguliert zu sein, so dass man nicht einfach mal fehlen kann. Es ist zwar gut, dass die Familie so Geld bekommt, aber gleichzeitig bleibt nebenbei keine Zeit und Energie mehr für Arbeiten im Garten und der Finca. Daher muss sich der Vater allein um das Schneiden von Reis und die Instandhaltung der Finca kümmern. Gleichzeitig ist er aber auch auf der Suche nach Kurzprojekte außerhalb des Dorfes. Er hat durch sein Studium und seine Ausbildung viele Fachkenntnisse und könnte in einem sechsmonatigem Projekt viel Geld verdienen.



Projekte für die Freiwilligen
Es gibt viele verschiedene Stellen im Dorf, wo eine helfende oder besser organisierende Hand benötigt wird.
1. Finca
- Palmen zurück schneiden
- Unkraut entfernen
- Pflanzen frei schneiden
- Bäume zurückschneiden damit in die Breite und nicht in die Höhe wachsen
- Pflanzen frei schneiden
- Ernten
- Samen pflanzen
- Neue Bereiche der Finca zugänglich machen
- Wege frei schneiden
- Pflanzen beschildern
- Kompost anlegen
2. Garten
- Aufräumen alles frei schneiden (ist komplett verwildert)
- Flächen schaffen
- Samen sähen
- Pflanzen pflegen
3. Gemeinde
- Nachhilfe allgemein, so wie ich bei Cecilia
- Englischunterricht
- Handarbeitsgruppen die Produkte herstellen und durch die Freiwilligen verkauft werden können, da sie mehr Kontakte z.b. nach San José haben
- Kinder-Spiel-Gruppen
Zukunftsideen
Marcos, der Vater der Familie, hat viele verschiedene Idee und Wünsche für die Verbesserung des Lebens im Dorf.
1. Tourismusprojekt:
- Touristen kommen die Finca besuchen, kriegen die Pflanzen und den Anbau erklärt und können das wachsende Essen probieren
- Touristen kommen die Finca besuchen, kriegen die Pflanzen und den Anbau erklärt und können das wachsende Essen probieren
- Markt mit Tanz, Kunsthandwerk, Produkte der Farmen und traditionellem Essen
- Baum-Pflanz-Aktion für kleinen Aufpreis
Bei Übernachtung ergänzen:
- Ausritt
- Baden im Fluss
- Wanderung durch Primärwald mit Erklärungen
- Tanzkurs
- Fußballspiele
- Lagerfeuer
Dafür tun:
- Herausfinden, ob Interesse besteht (Hotels, Privatpersonen)
- Unterkunft und Ranch bauen, in Trockenzeit geht Zelten auf Dorfplatz
- Transport organisieren (von San José aus oder in der Umgebung)
- Markt und Herstellung fördern
- Weiteres Programm entwickeln
- Website erstellen
- Wer spricht mit den Touristen Englisch? – zusätzliche Aufgabe der Freiwilligen
2. Krisentopf für Community
- bei Notfällen wie Überflutungen
- mit Geldern von außen und innen
3. Kurzzeit-Freiwillige
- 5 bis 12 Wochen
- für die Dauer von konkreten Projekten
- Unterbringung in Finca



Geld
Ich habe jetzt schon öfter angesprochen, dass Geld ein großes Problem für die Leute hier darstellt. Sie brauchen es um sich Lebensmittel zu kaufen, aber es gibt keine typischen Arbeitsplätze, wie in anderen Städten. Trotzdem haben sie ja ein bisschen etwas, um Reis zu kaufen. Deshalb habe ich mich gefragt:
Woher kommt das Geld?
- Projekte: Wie gerade erwähnt arbeiten 3 der jungen Erwachsene in dem Weg-Schneide-Projekt. Dafür bekommen sie einen festen Betrag pro Monat. Auch Cecilia verdient sich mit dem Workshop zu Frauenrechten etwas dazu. Die Idee dahinter ist, dass sich auch in den Indigenen-Strukturen etwas zu Gunsten der Frau verändert. Auch sollen junge Mädchen über den weiblichen Zyklus aufgeklärt werden. Dabei arbeiten Sie mit anderen indigenen Gemeinschaften zusammen, die Produkte wie z.B. wiederverwendbare Binden produzieren. Damit soll den Kindern geholfen werden, sodass sie nicht zu Hause bleiben und sich schämen oder wundern warum sie bluten, sondern weiterhin zur Schule gehen können.
- Projekte: Wie gerade erwähnt arbeiten 3 der jungen Erwachsene in dem Weg-Schneide-Projekt. Dafür bekommen sie einen festen Betrag pro Monat. Auch Cecilia verdient sich mit dem Workshop zu Frauenrechten etwas dazu. Die Idee dahinter ist, dass sich auch in den Indigenen-Strukturen etwas zu Gunsten der Frau verändert. Auch sollen junge Mädchen über den weiblichen Zyklus aufgeklärt werden. Dabei arbeiten Sie mit anderen indigenen Gemeinschaften zusammen, die Produkte wie z.B. wiederverwendbare Binden produzieren. Damit soll den Kindern geholfen werden, sodass sie nicht zu Hause bleiben und sich schämen oder wundern warum sie bluten, sondern weiterhin zur Schule gehen können.
- Schule: Zur Schule bzw. dem Colegio zu gehen lohnt sich. Denn bei ausreichendem Nachweis übers Erscheinen zum Unterricht, erhält jede:r 30.000c bzw. bei höheren Klassen bis zu 45.000c pro Monat. Damit will die Regierung verhindern, dass die indigene Bevölkerung, statt sich zu bilden, nur arbeiten geht.
Das Problem mit dem Geld
Bevor ich bei Josy losgefahren bin hat sie mich „vorgewarnt“, dass es hier kein Geld gibt und dass von mir erwartet wird ihnen mal Essen zu kaufen. Auch meinte sie, ich solle Reis, Bohnen und Öl mitbringen. Das habe ich dann auch gemacht, genau wie das mit dem Essen kaufen. Beim ersten Mal war es Ihnen unangenehm zu fragen, deswegen war es mehr ein „Wir haben keinen Reis, Kaffee und kein Öl mehr“ mit gespannten Augen, als eine Bitte. Danach sah es eher anders aus.
Einige Situationen:
1. Wir laufen los nach Santa Rosa. Kery kommt mit einem Zettel mit einer Telefonnummer zu mir und sagt: „Die ist von meinem Vater. Du sollst die Nummer aufladen.“ Keine Frage – eine Aussage. Wieso hat der Vater, der doch vorher noch mit uns in einem Raum war und mich einfach hätte fragen können, nichts gesagt? Natürlich hätte ich ja gesagt, aber so mache ich es mit Widerwillen. Ein bisschen, wie wenn man gerade die Spülmaschine ausräumen will und der Vater dann sagt: „Du musst übrigens noch die Spülmaschine ausräumen“ Dann hat man da auch keine Lust mehr drauf, macht es früher oder später dann doch noch.
2. Cecilia fährt nach Laurel und fragt mich, ob ich ihr Geld „leihen“ kann für die Taxifahrt raus und rein ins Dorf. Davon wurde nie mehr gesprochen, was von Anfang an klar war.
3. Abends schauen wir einen Film und eine Frau kommt vorbei um Avocados zu verkaufen. Ich beschließe ihr die 8 Stück für je 400c (ca. 0,5€) abzukaufen. Ich will mit einem 5000c bezahlen, weil ich nichts anderes habe, aber die Frau hat kein Wechselgeld. Bevor ich etwas sagen kann, schickt Cecilia ihren Sohn Marcio los mit dem Geld Öl bei der Pulperia zu kaufen, um dann auch wechseln zu können. Okay…, klar könnt ihr mit meinem Geld Öl kaufen gehen. Er kommt zurück mit nur 2000 c Wechselgeld. Mehr habe es nicht gegeben. Den Rest könne ich mir morgen holen gehen. Toll, jetzt ist es aber nicht mehr genug für alle Avocados. Irgendwie haben wir sie dann doch alle bekommen. Als ich am nächsten Tag für mein Wechselgeld zur Pulperia gehen will sagt Cecilia: „Ne also davon haben wir jetzt schon Kaffee, Zucker und Reis gekauft“. Ah cool, danke fürs Fragen und Bescheid geben. Und natürlich fürs Danke sagen.
Es hat mich im Gesamten schon gewundert, dass niemand Danke gesagt hat. Damit meine ich nicht, dass ich die Bestätigung brauche, sondern dass das in unserer Gesellschaft ein Ding des Respekts und der Höflichkeit ist, hier aber in der Konstellation Familie – Freiwillige:r nicht üblich scheint. Es wird als selbstverständlich gesehen, dass ich das mache und deswegen wird keine Art von Dankbarkeit gezeigt. Allgemein waren Höflichkeiten wie Bitte und Danke sagen dort, außerhalb der Schule, aber weniger ein Ding und Dankbarkeit zeigen, sowieso nicht. Das fand ich schon eher befremdlich, da es nichts kostet und trotzdem so einen Unterschied macht.
Das ist auch der Schluss zu dem ich gekommen bin, nachdem ich meine Zeit in Bezug auf Geld dort überdacht habe. Es geht mir nicht um das Geld im Allgemeinen oder den Betrag den ich ausgegeben habe, sondern die Art und Weise, wie sie es benutzt haben ohne mich zu fragen und ohne Bitte und Danke zu sagen. Einfach davon auszugehen, dass das schon klar geht, finde ich nicht so witzig und teilweise schon frech. Auch, dass ich jetzt, wo ich wieder zurück in meinem Projekt bin, immer wieder gefragt wurde, ob ich deren Telefonkarte aufladen könnte, finde ich schade. Dadurch fühle ich mich als Freiwillige ausgenutzt und ich kann nicht verhindern, dass ich mich ab und zu frage, ob sie vielleicht nur deswegen nett zu mir waren, weil ich ihnen Dinge kaufen konnte. Das kann und will ich mir nicht so ganz vorstellen, aber vielleicht war das eben doch auch ein Faktor. Andererseits ist es ja wirklich so, dass sie keine Geld haben und großteils davon leben zur Schule zu gehen, was einfach krass ist. Ich bin dementsprechend ziemlich zwiegespalten.
Typischer Tag
Da du nun einen guten Überblick über die Umstände in denen man hier lebt hast, beschreibe ich jetzt mal einen normalen Tag.
Es wird früh aufgestanden und sich mit eiskaltem Wasser gewaschen. Dann gibt es Reis und frittierte Plátanos zum Frühstück, dazu einen heißen Kaffee mit Zucker. Um kurz nach 6 Uhr geht es zum Colegio oder der Arbeit. Ich wasche das Geschirr während die Großmutter auf Eder aufpasst. Heute sind nur wir zwei da, weswegen ich nicht auf die Finca gehe. Um 10h30 gucke ich bei der Schule vorbei, quatsche mit der Köchin und spiele ein bisschen Fußball mit den Kids. Zum Mittagessen gehe ich runter zum Haus und passe auf das Baby auf während die Großmutter sich ausruht. Dann kommen auch schon die ersten Familienmitglieder aus der Schule zurück. Wir spielen ein paar Runden Dobble und also alle wieder zuhause sind, trinken wir Kaffee und schauen „Das Dschungelbuch“. Danach gibt es Abendessen: Reis, Bohnen und Hühnchen bzw. Ei für mich. Wir tanzen ein bisschen durch die Küche, bis alle um 20h00 Richtung Bett gehen.



4. Geschichten
Immer wieder bekomme ich kleine Geschichten aus dem Dorf mit, die ich mit dir teilen möchte.
Früher gab es keine Brücke und keine Straße, die zu dem Dorf führten. Die Menschen, d.h. auch die Freiwilligen, mussten von Santa Rosa aus mit Einkäufen und Gepäck nach Las Vegas wandern. Zur Regenzeit stellt das aber ein großes Problem da. Das liegt vor allem an dem Fluss, den man durchqueren muss, der aber durch den vielen Regen stark ansteigt und reißend wird. Das führt dazu, dass im September die Monatseinkäufe für Oktober gemacht werden, da man in dieser Zeit dann vom Rest der Welt abgeschnitten ist.
Starker Regen und Stürme führen teilweise zu so hohem Hochwasser, dass Häuser weggespült werden. Im Jahr 2016 gab es scheinbar so schlimme Überflutungen, dass das gesamte Dorf für zwei Wochen in der Schule übernachtet hat.
Eine Geschichte die mir Marcos auf dem Rückweg von der Finca erzählt hat, handelt von dem Tod des Vater seiner Schwester. Dieser ist eines Tages zum Fischen runter an den Fluss gegangen und nie wiedergekommen. Später wurde er weiter den Fluss herunter tot aufgefunden. Wie sich herausstellte war er zur falschen Zeit am falschen Ort. Denn kurz davor hatten eine kleine Gruppe von Männer eine schwangere Frau umgebracht und er hatte sie fliehen sehen. Der Ex-Freund war scheinbar eifersüchtig darauf gewesen, dass die Frau nach der Trennung ein Baby mit ihrem neuen Freund erwartete. Daher tötete er sie, schnitt ihr den Bauch auf und brachte das Baby nochmal extra um. Die Mutter der Frau, die mit ihr in den Haus war, wurde nie aufgefunden.
Fazit
Ich bin sehr froh, dass ich für zwei Wochen nach Las Vegas gehen durfte. Zu sehen, wie Indigene in Costa Rica leben, war spannend, aber auch schockierend. Der Großteil der Menschen im Rest des Landes, ist sich nicht einmal bewusst, was die Zustände in den Territorien sind. Daher denke ich, dass es wichtig war, dass ich dort hingegangen bin. Nicht nur für mich, sondern auch für die Leute mit denen ich zu tun habe. Ich konnte Ihnen einen Einblick in ein ganz anderes Costa Rica geben, was sie gar nicht kennen. Alle waren total geschockt, dass es Menschen in einer solchen Armut in ihrem eigene Land gibt. Trotzdem muss ich persönlich sagen, dass diese Armut, von der die Mensch in Las Vegas so sehr betroffen sind, nicht gelebt wird. Sie spiegelt sich nicht in ihrer Fröhlichkeit oder Zufriedenheit wieder, denn sind sie, wie ich das einschätze, glücklicher als die Menschen hier in Nicoya. Das Leben ist einfach nicht so gehetzt. Klar, es ist schon krass, sich darüber Sorgen machen zu müssen, ob man genug Geld hat, um sich Reis zu kaufen. Der Zusammenhalt in der Familie und das bewusstere Wahrnehmen der Welt um sich herum wiederum ist schön und bewundernswert. Auch für mich war es eine tolle Erfahrung, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Normalerweise bin ich eine Person, die immer etwas tun muss und sich nicht langweilen kann. In Las Vegas hatte ich keine Wahl als manchmal einfach nur zu denken. Das habe ich dann auch richtig ausgenutzt. Oft lag ich in meiner Hängematte, habe den grünen Waldhang, der sich gegen den meist grauen, manchmal aber auch blauen, Himmel abgezeichnet hat angesehen und einfach mal meinen Gedanken freien Lauf gelassen. Wenn die Familie um mich herum war, habe ich Karten mit ihnen gespielt, geredet, gelesen, getanzt, gesungen oder gebastelt. Dinge, die ich schon immer geliebt habe zu tun, aber oft vergesse. Ich bin schnell Teil der Familie geworden, was ich nicht unbedingt erwartet hätte bei der kurzen Zeit die ich dort war. Ich habe etwas von ihnen gelernt, nicht nur in Bezug auf nachhaltigen Anbau oder dem Kochen über Feuer, sondern auch von der allgemeinen Situation und deren Einstellung dem Leben gegenüber. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass sie auch etwas von mir lernen konnten oder besser etwas von meinem Besuch mitgenommen haben. Und damit meine ich nicht das Geld oder das Kartenspiel. Es hat sich gelohnt, für beide Seiten.
Trotzdem bin ich froh, dass ich nur zwei Wochen dort war. Hätte ich länger bleiben sollen, wäre ich anders an die Situation heran gegangen, aber so waren zwei Wochen schon eine gute Länge. Ich war froh, als ich wieder eine Kloschüssel mit Klopapier hatte und noch glücklicher übers Gemüse. Einige Dinge habe ich aus dem Alltag von dort übernommen und werde ich auch weiter versuchen anzuwenden, auch wenn das mit den vielen Eindrücken, die hier auf mich einprasseln, sehr viel schwieriger ist.