
Disclaimer: Was ich hier beschreibe ist meine persönliche Perspektive auf die Situation in meinem Projekt. Ich bin mir meiner Position als Außenstehende in einem fremden Land bewusst. Trotzdem bestehe ich auf einen respektvollen Umgang unter Mitmenschen.
Für dich mag das vielleicht jetzt aus dem Nichts kommen, aber in den letzten vier Monaten, die ich in meinem Projekt Fedeagua war, ist viel passiert – oder eben nicht. Auf diesem Blog, Instagram und YouTube habe ich bisher nicht viel von dieser Seite meines Projektes gezeigt, weil es für mich selber schwer war, mir die Probleme hier einzugestehen. Ich habe das Jahr natürlich von seiner besten Seite gezeigt, weil ich selbst nicht sehen wollte, dass das, was ich gerade tu, nichts mit dem zu tun hat, wofür ich nach Costa Rica gekommen bin.
Es ist nämlich so: Wir sind die persönlichen Putzkräfte in unserem Projekt. Wir stehen auf, gehen pünktlich um 7h30 in die Küche, nur um diese und die Ranch dann zu fegen. Fragen wir, was es sonst noch zu tun gibt, heißt es „limpiar todo“ (alles putzen). Also fingen wir an die Grünflächen aufzuräumen, aber wie macht man sowas? Es ist ja nicht so, dass wir wüssten welche Pflanzen bleiben sollen und welche nicht. Letztes Mal, als ich die Blätter weggeräumt habe, mussten wir sie danach wieder her tragen. Die Blätter also nicht überall weg. Okay. Nach 3x nachfragen wird uns gezeigt, was wir mit der Machete wegschneiden sollen. Wir sammeln Holzstämme an einem Ort und schieben die Blätter als Sonnenschutz unter die Bäume. Das ist nicht sonderlich schwer, aber bei dem unebenem Untergrund und den Mengen an Blätter ist das mit nur einem Rechen und einem Besen für zwei Personen ziemlich erfolgslos. Irgendwie schafft wir es dann doch, die vorher besprochenen Zonen fertig zu stellen, aber mehr als 3 Tage habe wir dafür auch nicht gebraucht. Daher fragen wir wieder: „Was können wir machen?“ Die Antwort wie immer: „Putzen, aufräumen, es gibt immer was zu tun in Fedeagua“. Dann sagt uns doch verdammt nochmal was! Es hilft uns nicht zu sagen es gäbe etwas zu tun, wenn wir es offensichtlich nicht sehen oder nicht wissen was sie meinen. Es ist ja wirklich nicht so, als würden wir nicht arbeiten wollen (dafür sind wir schließlich hier!), aber ein wenig Anleitung wäre schon nett. Es ist eine komplett andere Umgebung, als wir sie kennen und das heißt ein Minimum an Informationen ist durchaus angebracht. Aber es hat ja niemand Zeit. Wir suchen nach Alternativen: Wir können ja etwas bauen, schließlich fehlt uns bis heute ein Schrank oder ein Schreibtisch. Aber womit? Es wird sich geweigert, uns Werkzeug benutzen zu lassen. Wir könnten das nicht und sie würden durch uns zu schnell kaputt gehen. Das er derjenige ist, der an dieser Situation etwas ändern könnte merkt er nicht. Es kommt mir so vor, als würden wir mit unserem Willen zu Arbeiten den Leuten mehr auf die Nerven gehen, als wirklich zu helfen.
Natürlich sprechen wir das Thema der fehlenden Arbeit und des fehlenden Werkzeugs immer wieder an, aber jeder Vorschlag zur Verbesserung, jeder Wunsch nach Materialien, jede Idee zur anderen Beschäftigung von uns beiden wird direkt abgelehnt. Es verbrennt meine Energie, Motivation und meinen Willen etwas für Fedeagua zu tun.
Das liegt vor allem an einem weiteren Punkt: der Umgangston. Statt uns einfach zu sagen, dass es nichts zu tun gibt, heißt es, wir hätten ja gar keine Lust etwas zu erreichen. Wir würden keine Initiative zeigen. Bei uns ginge es ausschließlich darum, möglichst viel Zeit außerhalb von Fedeagua zu verbringen. Woran das wohl liegt? Etwa an den ständigen Lügen, die über uns verbreitet werden? An der Art und Weise, wie sie uns keinerlei Materialien oder Informationen geben? Daran, dass sie uns bei jedem Mal, wenn wir Probleme ansprechen, um diese zu klären, das Wort abschneiden und uns beschimpfen? Vielleicht ist es aber auch das ständig herum sitzen und nichts tun, was uns dazu bringt in den nächsten Bus zu steigen und zu unseren Freund:innen nach Sámara zu fahren.
Es ist sinnlos mit den Leute hier zu diskutieren, sie sehen gar nichts ein. Es wird sich nichts ändern, dass habe ich jetzt eingesehen. Das heißt für Fred und mich, dass wir unsere Zeit anders sinnvoll nutzen müssen. Ideen haben wir ja offensichtlich genug, nur jetzt halt anders.
Du fragst dich vielleicht, wo ist bei alle dem ProRegenwald? Deine deutsche Organisation sollte dir doch dabei zur Seite stehen. Tja, ich hab’s versucht, aber die Gespräche waren mehr ein Verhör mit Vorwürfen, was ich alles falsch machen würde und das meine Ansprüche zu hoch wären, als hilfreich und unterstützend. Danach habe ich mich eher schlechter als besser gefühlt. Aber mal ehrlich, ich und zu hohe Ansprüche? Kannst du dir das vorstellen? Es tut mir leid, dass ich gedacht habe, ich würde an einen Ort kommen, wo ich eine funktionierende Toilette, ein Bett und eine Waschmaschine habe. Sorry, dass ich dachte wenn man mich zum Arbeiten in ein Projekt schickt gäbe es dort etwas zu tun. Lo siento, aber wenn ihr nur jemanden braucht, die für euch die Klos putzt, bin ich leider die falsche Person.
Das war für dich gerade wahrscheinlich eine komplett neue Perspektive auf mein Jahr hier, aber ich möchte nur eins klar stellen: ich komme damit klar. Ich bin eine starke Frau und selbst, wenn es schwer für mich war, die Realität zu akzeptieren, ist für mich jetzt einiges klarer. Keine falschen Hoffnungen oder Erwartungen mehr, keine Ansprüche. Jetzt kann ich mit einer ganz anderen Ansicht an meine Situation rangehen und diese anders nutzen. Ich und auch Fred sind selbstständig genug, um uns unsere restliche Zeit wertvoll zu gestalten. Für uns, für unsere Freundschaften und vielleicht sogar ein bisschen für den Rest von Costa Rica.
Ich bin dankbar dafür, dass ich durch meine Freund:innen und deren Familie weiß, dass nicht alle Menschen in Costa Rica so … undankbar sind.
Du musst dir also wirklich keine Sorgen um mich machen. Ich habe den Realisationsmoment hinter mir und kann mit neuem Mut und anderem Blick anders anfangen. Es ist wichtig für mich, auch diese Seite meiner Zeit zu zeigen.
Deswegen kannst du dich auf weitere Blogs und Updates zu meiner Arbeit, meiner Freizeit und meiner Stimmung freuen.
Bis bald, Greta!
Du hast mein Mitgefühl. Ein schwieriges Thema das du hier ansprichst. Man hat den Eindruck, dass es nur zwei Alternativen gibt, zwischen denen gewählt werden kann: „Nichts sagen“ und damit „akzeptieren“ und „Etwas konstruktiv ansprechen“ und dafür Druck zu bekommen. Lose / lose, keine Win / Win Option. Eine Lehre daraus ist, das die persönliche „win“ Komponente nicht von Aussen kommen kann. Es darf doch nicht sein, dass die Engagierten diejenigen sind, die den Schaden davon tragen. Mir gefällt vielmehr die Vorstellung, dass Frau/Mann statt dessen gelassen und gestärkt aus dem Konflikt hervorgeht: Mut und Engagement und Intelligenz hat man bewiesen und den anderen Personen im System eine Chance eröffnet Etwas mehr daraus zu machen. Die Entscheidung, ob die Umgebung die Chancen nutzen, ist die Ihrige. Du gibst Ihnen die Gelegenheit dazu und blickst nach vorne, um das Meiste aus deinem Leben zu machen. Mit oder auch ohne den Anderen, das dürfen die für sich entscheiden.
Ich freue mich auf jeden Fall auf den nächsten Blog Beitrag und das nächste spannende Abenteuer zu sehen!