
Am Ende meines Freiwilligenjahres war ich für einige Tage im kleinen Küstenort Junquillal um dort bei Verdiazul mitzuarbeiten. Die Organisation betreibt Schildkrötenschutz und Umweltbildung. Dabei arbeiten Lokale und Freiwillige zusammen und patrouillieren nachts am Strand entlang, um Schildkröten bei der Eiablage zu schützen und die Eier sicher in einer Auffangstation zu bringen.
Wie läuft so eine Patrouille ab?
Jede Nacht gibt es 2 Gruppen, die die gesamte Länge des Strandes rauf und runter laufen. Das können schon mal 10 km sein. Die erste Gruppe ist von 22h00 bis 2h00 unterwegs, die andere von 2h00 bis 6h00. In dieser Zeit ist es niemandem erlaubt eine normale Taschenlampe anzumachen. Das weiße Licht immitiert das Sonnenlicht und wirkt abschreckend und verwirrend auf die Schildkröten. Daher wird nur rotes Licht genutzt. Alle halten Ausschau nach Schildkröten oder ihren Spuren. Nicht jede Nacht sieht man Spuren und erst Recht keine Schildkröte. Entdeckt man aber eine Spur, folgt man dieser meist bis hoch zum Rand der Vegetation, wo der Sand etwas aufgewühlt ist. Dort hat die Schildkröte die Eier abgelegt. Es ist nicht immer leicht zu erkennen, wo die Eier liegen, denn um Feinde in die Irre zu führen gräbt die Mama manchmal mehrere Löcher.



Das erste was wir machen, wenn wir eine Spur sichten ist natürlich nachzusehen, ob die Schildkröte noch da ist. Wenn ja, haben wir Glück und müssen das Nest nicht noch suchen. Dann wird die Art bestimmt. Das erkennt man an den Spuren, symmetrisch oder asymmetrisch, an der Entfernung zur Vegetation, weit weg oder mitten drin und an der Größe der Spuren.
Als nächstes wird nach dem genauen Standort geschaut. Es gibt Markierungen für den jeweiligen Strandabschnitt.
Nun nehmen wir eine Stock und stechen schräg in den Boden ein, um einen Hohlraum – das Nest – zu finden, es aber nicht zu zerstören. Sinkt der Stab besonders leicht und tief ein, haben wir das Nest gefunden. Nun heben wir es genau so aus, wie die Mutter es gemacht hat. Mit runden Händen und drehenden Bewegung heben wir den Sand aus dem Loch.
Bei den Eiern angekommen holen wir sie vorsichtig heraus und legen sie zum Transport in eine Tüte. Die Eier sind noch weich und verformt wie eingedrückte Tischtennisbälle.
Wir tragen die ganze Zeit Handschuhe, denn nicht nur wir können den Eiern schaden, sondern die Bakterien an der Eierschale auch uns. Wieder ein Schutzmechanismus der Mutter. Ob das Nest leer ist lässt sich leicht erkennen, denn die Schildkröten-Mama hat die Innenwände vor der Ablage glatt festgedrückt. Bevor wir uns auf den Rückweg zur Auffangstation machen markiert wir das Nest als geleert. Jetzt müssen wir uns beeilen, denn nach ca. 4 Stunden haften sich die Schildkröten-Embrios an die Schale es Eis. Werden die dann noch bewegt reißt es ab und stirbt sofort. In der Station angekommen werden die Eier daher direkt in eins der Nester gelegt und zugedeckt.
Wie ist die Auffangstation aufgebaut?
Diese Station ist im Endeffekt nichts anderes als ein abgezaunter Strandabschnitt in dem eimerförmige Netze vergraben sind. Werden Eier gefunden wird das Nest der Schildkröten-Mama in einem dieser Körbe immitiert und die Eier dort hinein gelegt.



Was passiert wenn die Babys schlüpfen?
Schildkröten haben den Instinkt nach ca. 20 Jahren an genau die Stelle zurückzukehren und Eier abzulegen an der sie selbst geschlüpft sind. Daher bringen die Freiwilligen sie zum freilassen an genau den Ort zurück, wo die Eier gefunden wurden. Dort laufen sie dann ins Wasser und schwimmen davon.
FunFakt: Die Babys spüren, wenn es Hochwasser ist und fangen dann an zu schlüpfen. Bis sie aber anfangen aus nach oben an die frische Luft zu klettern müssen sie noch ein wenig warten. Denn erst wenn die letzte Schildkröte sich aus der Schale gepellt hat kann die Team-Arbeit losgehen. So reichen sie den Sand vom oberen Teil des Nestes bis nach unten durch. So wird sichergestellt, dass sie Form des Nestes beibehalten wird und nicht in sich zusammen fällt. Das nenne ich Teamwork!
Warum macht man das Ganze überhaupt?
Es gibt zwei große Vorteile beim Brüten in einer Auffangstation:
1. Schutz vor Feinden
Durch das Netz an allen Seiten ist es für Nesträuber, wie Waschbären und Vögel, deutlich schwerer die Eier oder Tiere auszugraben. Auch ist die Geruchsspur der Mutter nicht so intensiv und sie Nester sind schwerer zu finden. Auch können die Babys auf ihrem Weg ins Meer begleitet werden und auch dann Raub und Tötung verhindert werden. So können statt 1/3 der gelegten Eier, 94% der Jungtiere ins Meer watscheln.
2. Temperatur-Kontrolle
Mithilfe von Planen über der Station kann ich Sonneneinstrahlung reguliert werden. Das Problem ist nämlich, dass die Temperatur das Geschlecht der Babys bestimmt. Durch die ansteigenden Temperaturen und die längeren Hitzeperioden werde die meisten Tiere Weiblich. Jedoch kann man nicht kontrolliert, welche der Tiere die ins Meer gelangen überleben. Da von 1000 Babys nur 1 Schildkröte das Erwachsenenalter erreicht, kann man nicht darauf setzten, dass es schon genug männliche Schildkröten in Wasser rumschwimmen, sondern muss aufs Gleichgewicht setzten.
Umweltbildung – Warum denn das?
Die Umweltbildungsworkshops werden mit Touristengruppen oder auch Lokalen durchgeführt. An einem Tag geht es um Schildkröten Arten und wie man sie erkennt und ein anderes Mal wird Müll gesammelt und sortiert. So wird die Gemeinde mit einbezogen und alle helfen gerne und freiwillig beim Schildkröten- und Umweltschutz mit.



Was macht man sonst noch tagsüber?
Es gibt immer etwas zu tun, zum Beispiel pflanzen wir in meiner Zeit dort auch Bäume, räumen den Strand auf oder stellen EcoBlocks her. EcoBocks sind nichts anderes als alte Plastikflaschen die mit kleinem Plastikmüll gefüllt werden. Sie verhindern, dass Mikroplastik oder Tüten ins Meer gelangen und gefressen werden. Auch werden die prall gefüllten Flaschen genutzt um daraus Zäune, Hochbeete oder sogar kleine Gebäude zu bauen. Recycling und Upcycling!
Fazit



Ich kann wirklich nur sagen, dass die Zeit bei Verdiazul mich unfassbar viel gelehrt hat. Ausnahmsweise nur im positiven Sinne! Ich habe viel und sinnvolle Arbeit erledigt, könnte viel lernen, das neue Wissen aber auch an andere Besuchende am Strand weitergeben. Dabei hat mir mein Spanisch natürlich viel geholfen. Alle Lokalen die bei Verdiazul mitarbeiten sind sehr aufgeschlossen, herzlich und sympathisch und wollen nur das Beste für dich. Ich wurde nicht nur akzeptiert, sondern geschätzt. Meine Zeit in Junquiall war ein perfektes Abschlussprojekt in Costa Rica und gibt mir definitiv einen Grund wiederzukommen. Dankeschön!



Tolles und spannendes Projekt! Würde ich auch gerne mal erleben!