Quitirrisí – Indigene ganz nah dran

Wieder einmal habe ich etwas über eine Indigenengruppe zu berichten. Diesmal sind es die Quitirrisí, die hier im cantón Mora, Provinz San José leben. Das ist eine Besonderheit, denn durch ihre Lage so nah dran an San José entwickelt sich das Leben natürlich anders als z.B. in Las Vegas.

Von Ciudad Colón fährt man lediglich 15 Minuten mit dem Auto auf einer perfekten Straße in die Berge. Oben angekommen stellen wir das Auto ab und laufen einen kleine Weg den Hang herunter auf eine Ebene mit Lehmboden und einem Zelt. Das Gelände ist mehr auf Demonstrationen ausgerichtet, als es wirklich genutzt wird, aber manche Teil gehören dann doch zur Gemeinschaft. Eine Indigene führt uns herum. Zunächst zeigt sie uns die Schamanen-Hütte, wo körperliche und seelische Heilungen stattfinden. Es wird viel Wert auf die Balance zwischen Mensch und Natur gelegt. Sie erzählte uns davon, dass ab und zu auch Nicht-Indigene zu ihrem Vater kommen, um sich spirituell reinigen zu lassen. Das mag sich für die eine oder den anderen erstmal komisch anhören, aber Rituale um die Verbundenheit mit der Natur wieder aufleben zu lassen sind fester Teil der Indigenenkultur. Persönlich finde ich Idee, das Menschen Teil der Natur sind und sich deshalb auch so verhalten sollten richtig und wichtig. Alles war wir tun hat Auswirkungen auf die Menschen, Tiere und Pflanzen um uns herum und oft, da spreche ich natürlich auch von mir selbst, vergessen wir das. Kaufen wir ein Glas Nutella mit Palmöl, dann muss man sich immer fragen, wie diese produziert wurde und wer daran verdient. Meistens sind das nicht die Menschen, die in Costa Rica auf den Plantagen die Palmen ernten. Aber das ist nochmal ein anderes Thema auf das ich in einem anderen Blog schon eingegangen bin.

Pfahl auf dem Hauptplatz
Schild am Eingang des Gebiets
Die Heilhütte des Schamanen

Jedenfalls zeigt uns die Frau ein Beispiel für ein Heilungsritual. Die kranke Person legt ihre Hand auf die Rinde eines bestimmten Baumes und zeichnet die Umrisse der Hand nach. Der Baum wird um Erlaubnis gefragt und danach die Form der Hand ausgeschnitten. Mit der Zeit verheilt die Wunde in der Rinde und damit auch die Wunde des Menschen. Irgendwie schön und verwirrend gleichzeitig.

Es geht weiter zu einem großen Viereck aus Steinen auf dem Boden. Auf die Wand dahinter ist ein großer Vogel mit ausgebreiteten Flügeln gemalt. Hier liegen Teile ihrer Familie begraben. Der Vogel ist ein Geier. Es hat die Aufgabe der Säuberung der Erde. Aus diesem Grund hat er keinen Magen und keinen Geruchssinn erhalten – um diese Aufgabe einfacher erfüllen zu können. Er stellt die Verbindung zwischen Himmel und Erde dar, da er Dank seiner Flügel näher an Gott ist als wir Menschen.

Unüblich für Costa Rica, aber die Menschen werden unter der Erde begraben
Der schützende Geier
Ritualstätte

Das Zelt auf dem Hauptplatz ist in einer ganz besonderen Art und Weise aufgebaut. Die 12 Pfeiler stehen jeweils für einen Monat, die 4 Hauptquerbalken unterteilen das Zelt in die 4 Aktivitätszeiträume des Tages: 6 – 12 Uhr für harte körperliche Arbeit, 12 – 18 Uhr für Kunst und Verarbeitung von Ernte, 18 – 24 Uhr für die Auseinandersetzung mit sich selbst und die Verbundenheit mit der Natur und 0 – 6 Uhr für Planung und Lösungsfindung. Auch die weiter bei der Spitze des kegelförmigen Daches liegenden 8 Balken haben eine Bedeutung. Sie stehen für die 8 Planeten.

Das Zelt mit Pfeilern, traditionell natürlich nicht mit Wellblech
Bogenschießen
Von Indigenen hergestellte Körbe

Als die Führung nach einmal Bogenschießen vorbei ist kommt die Fragerunde.
Wie beeinflusst die Nähe zur Hauptstadt das Leben als Indigene?
In der Vergangenheit hat die Erhaltung der Kultur sehr unter dem starken Einfluss von außen gelitten. Niemand kann die Sprache mehr und mit ihr haben viele auch ihre Identität und Zugehörigkeit zu den Quitirrisí verloren. Von außen wurde vermittelt, dass die eigene Kultur schlecht ist und sie sich ändern müssten. In der Schule wurde das Sprechen der Sprache verboten und bestraft. Land wurde (und wird es heute immer noch) illegal an Ticos, Ticas und Menschen aus dem Ausland verkauft. Mittlerweile wird das strenger überwacht, aber große Teile ihres Landes haben die Indigenen immer noch nicht zurück bekommen. Das ist leider nicht nur bei den Quitirrisí der Fall.

Es gibt natürlich auch Vorteile, wie der erleichterte Zugriff auf Trinkwasser, Elektrizität und Empfang. Hier hergestellte Kunst und Gerichte können leicht verkauft werden und auch sonst ist es relativ leicht Geld zum Überleben zu verdienen.

Etwas, was im Zuge dessen erwähnt wurde ist, dass diese Indigenen ihr Leben nicht nach Geld ausrichten wie wir es tun. Sie arbeiten nicht um Geld zu sammeln, was sie dann für Häuser, Autos oder Reisen ausgeben. Sie leben von Tag zu Tag, einfach aber glücklich.

Wie geht ihr mit dem Schmerz um, der euch zugefügt wurde?
Diejenigen die den direkten, teils gewaltvollen, Eingriff in ihr Leben erlebt habe leben nicht mehr. Der Umgang mit den Folgen ist aber weiterhin ein Kampf. Es gibt Fortschritte, wie dass nur noch Indigene in der Schule unterrichten dürfen, aber es gibt noch viel zu verbessern. Das Schulsystem ist beispielsweise überhaupt nicht auf die Indigenen angepasst. Wie überall in Costa Rica wird Mathematik, Englisch und Spanisch unterrichtet, aber Zeit für die Lehre der Tradition wie Kunst und Musik der Indigenen und der Geschichte gibt es nicht.

Was tut der Staat für die Indigenen?
Einiges, aber zu wenig und nicht konsequent. Wie bereits angesprochen gibt es Gesetze die z.B. das Land regeln. Aber wer setzt sich für die Umsetzung dieser Gesetze ein? Auch finanziell gibt es Hilfen über die ich in meinem Blog zu Las Vegas mehr geschrieben habe, aber reichen die weit genug?

Im Fazit kann ich nur sagen, dass es eine total interessante Erfahrung war über eine weitere Indigenengruppe zu lernen. Das Leben dort sieht sehr anders aus als in Las Vegas, aber die Probleme ähneln sich. Was mir besonders aufgefallen und gefallen hat ist das Verantwortungsbewusstsein, was die Menschen gegenüber der Natur haben. Niemand stellt sich über sie oder versucht sie zu kontrollieren, sondern sie leben im Einklang und auf Augenhöhe (wenn man das sagen kann). An dieser Verbundenheit muss ich auf jeden Fall noch arbeiten.

Die Aussicht auf dem Weg zum Territorium
Wir dürfen auch mal töpfern
Javi, Daniel, Astrid, Natalia und ich
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