
Da es, wie du ja mittlerweile weiß, bei mir im Projekt nicht sonderlich viel zutun gibt habe ich mich auf den Weg zu Natalia gemacht. Natalia ist die ehemalige Gastmutter vom Schulaustausch den Conrad vor zwei Jahren nach Costa Rica gemacht hat. Sie wohnen in Ciudad Colón, ganz in der Nähe von San José.
Mit ihr und einer befreundeten Familie habe ich in der letzten Woche ziemlich viel unternommen.
Teil 1: EARTH University
Teil 2: Quitirrisí Indigenen
Teil 3: Bedrohte Bienen
Natalia arbeitet als Lehrerin für Naturwissenschaften an der EARTH University. Davon hat sie mir bei meinem letzten Besuch viel erzählt und diesmal hatte ich die Chance mit ihr mitzukommen und das Konzept selber zu erleben.
Die Universität liegt in der Provinz Limón und heißt vollständig EARTH University – Escuela de Agricultura de la Región Tropical Húmeda. Übersetzt bedeutet das soviel wie Schule für Agrikultur in feucht-tropischen Regionen. Und der Name hat auch einen Grund. Anders als in Nicoya ist die Luftfeuchtigkeit hier sehr viel höher und zusammen mit der Hitze liegt sie schwer und ermüdend auf einem. Ich nehme an irgendwann gewöhnt sich der Körper daran, aber die 3 Tage die ich dort war haben dafür jedenfalls nicht ausgereicht.
Falls ihr euch fragt, wieso ich diesen Blog überhaupt mache, schließlich will ich in Deutschland studieren, habe ich eine einfache Antwort für euch. Das Konzept ist mega!
- Wer geht überhaupt zur EARTH?
Da die Uni auf ein bestimmtes Klima zugeschnitten ist, gibt es wenige Studierende aus Europa oder Nordamerika. Der Großteil kommt aus Zentralamerika (Costa Rica, Guatemala, Panama), Südamerika (Kolumbien, Bolivien, Paraguay) oder Afrika (Somalia, Südsudan, Nigeria). Nur ein kleiner Teil dieser bezahlt die Studiengebühren selbst. Die meisten haben ein Stipendium für die 4 Jahre Unterricht bis zum Bachelor. Nur so ist es ihnen möglich nach Costa Rica zu kommen und teilweise überhaupt zu studieren. Die Stipendien kommen von Unternehmen, Stiftungen oder Behörden verschiedener Länder. - Wie ist die Uni aufgebaut?
Da das Gelände für den praktischen Teil des Studiums weit außerhalb der nächsten Stadt liegt, wohnen sowohl Lehrende als auch Studierende und das Personal auf dem Gelände. Mit der Aufteilung in Zweierzimmer, dem Sportplatz, Gym, Speisesaal und Lehrräumen ähnelt es sehr einem Internat. Für die Kinder der Profs gibt es eine Schule und mit dem Stil der Anlage erinnert mich das Gelände fast schon an eins dieser typischen Hotelgelände in Ferienorten. Kleiner aber feiner Unterschied: hier wird produziert. - Wie lernen die Studierenden Agrikultur?
Das Konzept der EARTH ist ganz anders als die meisten anderen Unis. Die Gruppen sind klein und es gibt mindestens genauso viel Praxis- wie Theorieunterricht. Die Studierenden sollen nach kurzen Erklärungen alles selbst machen und dadurch Fragen entwickeln, die später beantwortet werden können. Also eigentlich genau umgekehrt wie man es gewohnt ist. Das gilt sowohl für den Unterrichtsstoff, als auch für die Sprache. Die meisten sprechen, so wie ich als ich angekommen bin, kein Spanisch. Sie lernen sich zu verständigen und dazu kommt dann die Grammatik als Erklärung. Ob es funktioniert? Ich habe den Eindruck auf jeden Fall!
Beispiel: Eine Unterrichtseinheit zum Thema Kompost. Wir lernen, wie dieser geschichtet werden muss, welche Form er haben sollte, was man für Materialien nutzen kann und welche Alternativen es gibt, wenn der Stoff gerade nicht zur Verfügung steht. Alles so, dass es in armen ländlichen Regionen verschiedener Länder funktioniert. Nach 30 min Erklärung geht es nach draußen, wo wir anfangen mit den Materialien des Geländes einen Kompost anzulegen. Es kommen Fragen auf, der Prof beantwortet sie, wir packen mit an und alle verstehen das Prinzip. Das Beste: Der Kompost kann für den Gemüsegarten daneben benutzt werden.



Das Gelände der Uni ist sehr groß. Es gibt eine Bananenplantage, deren Produkte sogar verkauft werden. An einem anderen Teil gibt es eine Finca mit Yuka, Salat, Kakao… Wieder woanders finden sich Gartenpflanzen mit einem Schmetterlingshaus. Auch Nutztiere gehören zur Uni und die Milch der Kühe und Ziegen werden in einem anderen Teil der Universität zu Käse weiter-verarbeitet. Auch Schokolade wird mit dem Kakao hergestellt. Es gibt eine Recycling Station in der der gesamte Müll sortiert und wieder aufbereitet wird. Im Zentrum für erneuerbare Energien kriegen die Studierenden Solaranlage und Wasserwerke erklärt. Alle diese Bereiche werden von Studis verschiedener Jahrgänge geleitet und durchgeführt. Alle Ideen und Konzepte, Experimente und Theorien werden Vorort ausprobiert und umgesetzt.






Das Ganze kommt mir vor wie eine Parallel-Gesellschaft in der hier gelebt wird. Durch die Entfernung zur nächsten Stadt sind sie ziemlich abgeschnitten, aber alles läuft in einem eigenen System vor sich hin. Die hergestellten Produkte werden gegessen, der Strom wird selbst erzeugt und Materialen recycelt. Es gibt natürlich immer Dinge zu verbessern, aber die Idee gefällt mir.
Trotzdem könnte ich hier nicht für so lange Zeit bleiben. Ich brauche mehr Unabhängigkeit und „Fluchtmöglichkeiten“. Einige Aspekte würde ich aber auf jeden Fall auch in mein Leben übernehmen. Vor allem das praktische Lernen, der Anbau im Garten und das Gemeinschaftsgefühl finde ich schön. Alle fühlen sich für das Produzieren verantwortlich und da niemand eine besondere Behandlung bekommt oder Vorteile durch Geld hat, hilft man sich gegenseitig viel mehr (z.B. bei Fahrradreparaturen).